Maria Montessori: „Jede Person ist Mensch und Bürger zugleich.“
Maria Montessori "Durch das Kind zu einer neuen Welt", Freiburg 2013, Seite 13
Mit ihrer Aussage „Jede Person...“ betont Maria Montessori die Gleichheit aller Menschen – unabhängig von Alters- und Entwicklungsphasen – also vom Neugeborenen bis zum alten Menschen. Und sie verweist auf den unaufhebbaren Doppelcharakter jeder Person: Als individuellen Menschen einerseits und als Mitglied der sozialen Gemeinschaft andererseits.
- Ihre Kritik bereits Anfang des 20. Jahrhunderts:
Allerdings spiegeln die gegenwärtigen gesellschaftlichen Verhältnisse immer noch in erster Linie die Interessen der Erwachsenen wider. Die Rechte der jungen Bürger:innen werden nicht in gleicher Weise anerkannt wie die der Erwachsenen. Nicht ohne Grund spricht sie daher in ihren Texten immer wieder vom „Kind als vergessenem Bürger“ und betont, wie notwendig es ist, die „soziale Frage der Menschheit“ endlich zu lösen.
- Die zwei Hälften der Menschheit
Maria Montessori weist eindringlich darauf hin, dass die Menschheit aus zwei gleichberechtigten Teilen besteht: Der eine Teil der Menschheit baut den Menschen auf, das sind Kinder und Jugendliche. Der zweite, erwachsene Teil, gestaltet die Welt (Montessori: Supranatur) und übergibt sie der nachfolgenden Generation.
Der erwachsene Teil der Menschheit respektiert jedoch Kinder und Jugendliche immer noch nicht angemessen als „Baumeister des Menschen“: Weder als Wesen mit besonderen Entwicklungsbedürfnissen noch als junge Bürger mit eigenen Rechten und Institutionen, die ihre Interessen vertreten.
- Forderung nach eigenen Rechten von Kindern
Maria Montessori forderte bereits in den 1920-er Jahren eigene Rechte für Kinder und Jugendliche. Diese sollten aber nicht nur ihrem individuellen Schutz und ihrer Fürsorge Rechnung tragen, sondern sie auch als gleichberechtigte Mitglieder in Gesellschaft und Politik anerkennen.
Mit diesen Forderungen ging Maria Montessori deutlich über die damals bereits erhobenen Forderungen zum Schutz von Kindern vor Willkür und Gewalt hinaus.
Maria Montessori vertrat ihre Forderungen erneut nach dem zweiten Weltkrieg: Ihre weitgehende Position wiederholt sie dreißig Jahre später. Nachzulesen im Geleitwort zum Jahrestag 1951 anlässlich der Verkündung der Charta der Menschenrechte, zu der sie von der UNICEF gebeten wurde (2).
Erst mit der Verabschiedung der „UN Konvention für die Rechte von Kindern und Jugendlichen“ 1989 wird diesem Anliegen im Grundsatz Rechnung getragen. Außerdem wird in der Konvention klargestellt, dass sie sowohl Kinder als auch Jugendliche bis zum 18. Lebensjahr umfasst. Deutschland hat diese Konvention anerkannt und ist nun verpflichtet, sie adäquat in nationales Recht umzusetzen.
Mit einer weiteren Forderung konnte sie sich aber nicht durchsetzen. Bereits 1937 hatte Maria Montessori im Anschluss an den AMI-Friedenskongress in Kopenhagen die Gründung einer „Partei des Kindes“ sowohl angeregt als auch praktisch vollzogen. Jedoch blieb diese Initiative folgenlos, da kurze Zeit später der zweite Weltkrieg ausbrach.
Auch ihre Vision, in jedem Staat neben den einzelnen Fachministerien eine Querschnittsverwaltung (Ministerium für Kinder) einzurichten, die die Einhaltung der Rechte von Kindern und Jugendlichen im Verwaltungsvollzug sicherstellen sollte, blieb unrealisiert. Allerdings könnte man die Berufung von Ombudsleuten für Kinder und Jugendliche, wie sie u.a. in einigen skandinavischen Ländern erfolgt, als einen möglichen Ansatz zur Realisierung ansehen.