Spielfilm "Maria Montessori"
Am 07.03.2024 kommt bundesweit ein neuer Spielfilm in die Kinos: „Maria Montessori“ (Frankreich, 2023).
Der Film gibt bewegende Einblicke in einen entscheidenden frühen Abschnitt im Leben von Dr. Maria Montessori, einer genialen Pädagogin und herausragenden Persönlichkeit des 20. Jahrhunderts.
In einer fiktionalisierten Darstellung zeichnet der Film die großen Herausforderungen nach, denen sie vor 125 Jahren als intelligente, wissenschaftlich engagierte Frau beruflich und privat gegenüberstand. Der persönliche Konflikt zwischen ihrer leidenschaftlich vorangetriebenen Arbeit, ihrem Anspruch als eigenständige Frau und der Beziehung zu ihrem unehelich geborenen Sohn Mario wird auf einfühlsame Weise wiedergegeben.
Gleichzeitig beleuchtet der Film die erste Phase von Montessoris wegweisender pädagogisch-wissenschaftlicher Arbeit. Systematische Beobachtungen und Rückschlüsse bei vernachlässigten und geistig behinderten Kindern bildeten eine der Grundlagen für ihre "Entdeckung des Kindes".
So verknüpft der sehenswerte, aufwendig ausgestattete Film wichtige historische Entwicklungen zur Reformpädagogik sowohl mit Kinderrechten als auch mit Frauenrechten – wichtige Themen, die noch heute aktuell sind.
Besonders hinweisen möchten wir auf ein Video-Interview unseres Vorstandsmitglieds Nina Villwock mit der Regisseurin Léa Todorov, das auch deren interessante Perspektive auf Maria Montessoris Leben und Wirken insgesamt wiedergibt.
Unsere Vorstandsmitglieder Nina Villwock und Jörg Boysen beantworten Fragen zum Film, als Pressemitteilung hier.
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Wie schätzt Montessori Deutschland den Film ein, der die Begründerin der nach ihr benannten Reformpädagogik in den Fokus nimmt?
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Was hat die um die Wende zum 20. Jahrhundert spielende Geschichte mit der heutigen Auffassung von Montessori-Pädagogik zu tun?
Geschichtliche Einordnung
Der Film baut auf realen Begebenheiten im Leben von Maria Montessori auf:
Aus Maria Montessoris unehelichen Beziehung mit ihrem Arztkollegen Giuseppe Montesano entsprang deren Sohn Mario Montessori, geb. 31.03.1898. Eine Heirat hätte damals das Ende ihrer beruflichen Karriere bedeutet. So beschlossen sie schweren Herzens gemeinsam, das Kind zu einer Pflegefamilie auf dem Land zu geben.
Im Jahre 1900 beginnt der Film. Die im Film wichtige Figur der Französin Lili d'Alengy ist fiktiv.
Montessori und Montesano kannten sich von der gemeinsamen Arbeit an der Psychiatrischen Klinik in Rom. Gemeinsam wurden sie im Jahre 1900 Direktoren eines innovativen neuen Heilpädagogischen Lehrerausbildungsinstituts (La Scuola Magistrale Ortofrenica) mit angeschlossener Modellschule für Kinder und Jugendliche mit geistigen Behinderungen. Diese wurden damals üblicherweise gar nicht beschult, sondern in Anstalten gesteckt oder ihren Familien überlassen.
Montessori hatte dazu ein Jahr vorher einen Artikel zur Notwendigkeit und zum Potenzial der Beschulung von Kindern und Jugendlichen mit Beeinträchtigungen veröffentlicht (Maria Montessori, Schulen der Erlösung. Zeitschrift Das Erwachen der Pädagogik 1899. Auf deutsch erschienen in: Erziehung und Gesellschaft, Maria Montessori Gesammelte Werke Band 3, 2011 Verlag Herder.)
Montessoris Forderung war damals also, Kinder und Jugendliche mit Behinderungen überhaupt zu beschulen, und zwar separat vom nicht geeigneten Regelschulsystem. Von Inklusion, wie man sie heute versteht, war damals überhaupt nicht die Rede, aber durch Montessoris Pädagogik, die allgemein anwendbar war, wurde eine inklusive Pädagogik später überhaupt erst denkbar.
Basierend auf Montessoris zunächst medizinischem Hintergrund (Spezialisierung: Neuropsychiatrie) baute sie am Institut ihre wegweisende pädagogisch-wissenschaftliche Arbeit aus, in dem sie Forschungsergebnisse und konkrete didaktische Ansätze aus Frankreich erstmalig in Italien ausprobierte und verfeinerte. Wie im Film dargestellt, griff sie Erkenntnisse und Lernmaterial der französischen Ärzte Séguin und Itard aus dem 19. Jahrhundert auf.
Als Montesano, entgegen der gemeinsamen Absprache, 1901 jemand anders heiratete, brach die Beziehung auseinander und Montessori verließ das Institut. Hier endet der Film.
Nach der Trennung von Montesano nahm Montessori ein Zweitstudium in Pädagogik, Experimentalpsychologie und Anthropologie auf. Von 1904 bis 1908 hielt sie dann als Lehrbeauftragte Vorlesungen für Naturwissenschaftler in pädagogischer Anthropologie, bei denen sie auch eigene empirische Studien vorstellte. Die Vorlesungen und Studienergebnisse wurden 1910 als Zusammenstellung von Vorlesungsskripten im Buch Pädagogische Anthropologie veröffentlicht.
Parallel zu der Lehrtätigkeit wurde sie eingeladen, für eine Wohnungsbaugesellschaft in einem Elendsviertel ab 1907 die vorschulische Kinderbetreuung zu übernehmen. Hieraus entstand das erste Kinderhaus („casa dei bambini“), in der sie ihre Pädagogik erstmals umsetzte. 1909 veröffentlichte sie das Buch "Il metodo della pedagogia scientifica", auf deutsch als Die Entdeckung des Kindes veröffentlich, das sie weltberühmt machte.
Insofern ist die im Film angedeutete weitere berufliche Entwicklung von Montessori und von ihrer Pädagogik aus erzählerischen Gründen zeitlich etwas verdichtet dargestellt. So stellt die im Film gezeigte Periode 1900-1901 also nicht Montessoris Pädagogik dar, sondern erste praktische Untersuchungen von Lernmaterialen.
Ihren Sohn Mario nahm Montessori 1913 zu sich auf, gab ihn allerdings zunächst als ihren Neffen aus.
Ausführlichere Informationen zu Maria Montessori finden Sie hier, zu ihrer Pädagogik hier.
In der Gesamtausgabe von Montessoris Werken findet sich im Band "Die Entdeckung des Kindes" (Herder, 2010) im Anhang II, Kapitel 1, eine "Zusammenfassung der Didaktikvorlesungen" an der Scuola Magistrale Ortofrenica im Jahre 1900. Teilweise findet man die didaktischen Materialien im Film wieder, teilweise spricht Montessori im Film Sätze aus diesem Kapitel wörtlich. Im Band "Erziehung und Gesellschaft" (Herder, 2011) sind diverse interessante Schriften und Vorträge von Montessori aus der Zeit vor und nach 1900, zur Notlage von Kindern, zum Feminismus und anderen Themen.
(Aktualisiert: 17.02.2024)